Vom Lauschen und Reisen
Shownotes
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Intro: Was macht der da? Alles.
Arno Görgen: Willkommen bei Design. Macht Gesellschaft. Dem Forschungspodcast des Institute of Design Research an der HKB Bern. Heute ist bei mir zum einen mein lieber Moderator Jost Zeindler. Hallo Jost.
Outro: Hi!
Arno Görgen: Und zum anderen sitzt bei uns im virtuellen Raum. Matthias.
Outro: Hallo, Ja, herzlich willkommen! Ingmar Thies studierte Grafikdesign an der Hochschule für Bildende Künste Braunschweig und fertigte seine Abschlussarbeit in Tokio und Yokohama an. Nach Tätigkeiten in verschiedenen Marken Agenturen gründete er 1998 sein eigenes Designstudio This Design. Neben seiner Arbeit in der Agentur unterrichtet er Grafikdesign in der Klasse für Ideen an der Universität für Angewandte Kunst in Wien. Wir haben uns vorab bereits auf das Du als Umgangsformen geeinigt. Daher jetzt erstmal ein herzliches Hallo Ingmar.
Ingmar Thies: Ein herzliches Hallo zurück! Jost und Arno. Vielen Dank, dass ich dabei sein darf heute.
Arno Görgen: Ja, es hat ja ein bisschen gedauert. Wir wollten ja eigentlich schon in der letzten oder vorletzten Staffel, aber da hat es dann thematisch nicht so ganz gepasst. Und heute ist es soweit, denn unser Staffel Oberthema ist ja Sinn und Design. Und mit dir, Inga, sprechen wir heute speziell über dein Buch Grafikdesign unterrichten. Das ist dieses Jahr glaube ich bei Burghauser erschienen und hier speziell würden wir gerne mit dir so ein bisschen über dieses Kapitel des Zuhörens sprechen. Und immer mit Blick auf deine blumige Vita kann man ja sagen. Würdest du sagen, dass man als Designer so eine wandernde Seele ist, die überall ihre Nase reinsteckt und deshalb lernen muss, besonders gut die Umwelt mit all ihren Sinnen aufzunehmen?
Ingmar Thies: Ich bin mir unsicher, ob das nur Designer auszeichnet. Aber, und kann wahrlich eigentlich nur für mich sprechen. Ich mache das so, ja, und ich mache das, glaube ich. Ihr habt Japan angesprochen, da habe ich meine Diplomarbeit geschrieben. Damals bzw gemacht. War mehr eine Praxis und fotografische Arbeit. Seitdem ich durch Japan gewandert bin, gehe ich, glaube ich, mit allen Sinnen durch die Gegend. Das behaupte ich. Ich weiß nicht, warum das in Japan mir die Augen Ohren, Gefühle geöffnet hat, aber seitdem habe ich das Gefühl, laufe ich Aufmerksamer durch die Welt. Vielleicht war das damals so ein Lebenswechsel, der dazu beigetragen hat.
Arno Görgen: Jost, würdest du sagen, dass bei dir. Du reist ja auch gerne auch so ein bisschen. Oder ist das eher, dass man sogar, weil man im Alltag das Hirn auch zugestopft bekommt mit Informationen an der HKB, dass man vielleicht sogar das gar nicht so schlimm findet, wenn man die Sinne auch mal ein bisschen zuklappen kann?
Outro: Ja. Oder Ich habe das Gefühl, ja, du sagst es. Im Alltag ist das was, was fast automatisch so ein bisschen abgeschaltet wird. Vielleicht. Aber ja, ich kann das durchaus nachvollziehen, dass besonders wenn man irgendwie in neuen Kontexten unterwegs ist, mit sehr geschärften Sinnen umherschreitet. Und natürlich irgendwie das als Designer auch immer irgendwie Wenn man das mit einer Designbrille oder aus einer Designperspektive heraus macht. Also so würde ich so unterstreichen, glaube ich aber direkt.
Arno Görgen: Also direkt auf euer Design hätte das jetzt wahrscheinlich. Ich bin ja kein Designer, Hat das jetzt wahrscheinlich weniger Einfluss, oder?
Ingmar Thies: Ich glaube, es ist schon Teil des Designs. Du hast es selber gesagt vorhin Neugierig zu sein oder offen zu sein. Und diese Offenheit, die endet ja nicht mit Ich lese Texte oder schaue bewegte Bilder an, sondern das sind wahrlich alle Sinne. Je nach Aufgabenstellung. Und von da aus glaube ich, dass man das sowohl im Studium auf der einen Seite des Lernens, auf der anderen Seite des Lehrens, wenn man in Seiten unterscheiden will, extrem bewusst einsetzen sollte, aber auch in der beruflichen Praxis. Und ich glaube, auch wenn ich das noch ergänzen darf, weil du sagtest neue Umgebung machen, sensibler und aufmerksamer hast du, glaube ich, gesagt Ich mache. Ich lebe in Wien seit 25 Jahren, stamme aus Hamburg, fahre sehr viel Fahrrad. Und selbst obwohl ich hier eine Routine im täglichen Leben entwickelt habe, fahre ich manchmal Umwege. Also ich glaube, man muss nicht unbedingt an neuen Orten sein. Man kann auch neue Orte suchen.
Outro: Ganz genau. Ja, Voll.
Arno Görgen: Du hast ja dieses Buch geschrieben. Grafikdesign unterrichten. Und zur Entstehung habe ich das so verstanden, dass das Buch während der Corona Pandemie entstanden ist.
Ingmar Thies: Nee, das ist nicht ganz richtig. Es wurde durch Corona unterbrochen und ich muss auch ganz kurz, wenn ich darf korrigieren. Aber das Buch ist schon vor einem Jahr erschienen. Ja, es gibt jetzt aber eine zweite Auflage, erfreulicherweise im Englischen. Und seit diesem Jahr gibt es auch das Buch auf Deutsch. Also von daher sind wir schon hier in diesem Jahr ganz richtig verortet. Das Buch selber habe ich angefangen vor Corona, das heißt im Dezember vor Corona bin ich nach Japan gefahren, habe dort sieben Personen interviewt, bin zurückgekommen und wollte die nächsten Personen interviewen. Habe ich aber nicht gemacht, weil Corona kam. Damit gab es eine längere Pause, die ich genutzt habe für mich in meinen Texten zu schreiben. Also das Buch ist aufgebaut. 1/3 sind meine Gedanken zum Unterrichten oder zum Lernen und 2/3 sind Interviews mit internationalen Lehrenden. Die Coronazeit habe ich für meine Texte genutzt und habe bewusst keine Onlineinterviews geführt, weil in Japan war das ein so positives Erlebnis bzw eine Bestätigung. Interviews sollte man im Idealfall im selben Raum führen und deswegen habe ich pausiert und habe nach Corona dann wieder angefangen. Also kaum durfte man wieder nach Deutschland reisen. Also ich aus Wien war ich auch schon in Berlin und habe da Erik, Spiekermann und andere interviewt.
Arno Görgen: Was mir besonders gefallen hat, ist, dass du eine Art ich nenne es mal leer Philosophie entwickelt hast und vorstellst, die ja sehr praktisch ausgerichtet ist. Also diese komplexe Fragen sagen, zuhören, überdenken, machen lassen usw und das Ganze ist dann schon fast ethnographisch aufbereitet mit so kleinen Berichten und Fallbeispielen, die dann auch in einer anderen Schriftfarbe gehalten sind und dann eben auch am Ende mit den Interviews anderer Lehrender wie Wie schwer ist es eigentlich so ein ja auch sehr wahrscheinlich organisch gewachsenes Lehrdenken in eine kohärente Philosophie der Designlehre zu packen?
Ingmar Thies: Super Frage. Ich würde das, was ich dort im Buch beschrieben habe und geschrieben habe, nicht als Design Lehrphilosophie bezeichnen, weil ich die ganze Zeit und so unterrichte ich auch sehr in der Praxis verhaftet bin. Und ich bilde mir nicht ein, Jemandem sagen zu können so ist der beste Weg des Unterrichtens. Ebenso kann ich niemandem sagen, dass es der beste Weg, wie du lernst. Von da aus bin ich eher der Meinung, dass mein Buch Fragen stellt, damit jeder Leser, jede Leserin ihren eigenen Weg des Unterrichts finden kann. Also ich habe das Buch eigentlich mehr für mich zumindest so verstanden bzw bewusst so gehalten, dass ich zum Nachdenken hoffentlich anrege, dass man sein Lehrverhalten. Komisches Wort. Dass man sein Lehrverhalten selber hinterfragt oder auch mit Peergroups anderen Personen anfängt zu hinterfragen und in den Austausch zu gehen und wichtig seinen eigenen Weg findet. Weil ich glaube, dass das Unterrichten hochindividuell ist. Der eine spricht lieber mehr, der andere ist der bessere Zuhörer. Der eine hat sehr viel theoretisches Wissen, der andere kommt aus der Praxis. Ich glaube, dass es da große Unterschiede gibt und jeder seinen eigenen Weg finden müsste. Also von da aus für mich interessant war nur, dass du es. Du hast gesagt, du nennst es mal Lehrphilosophie, dass du es so empfunden hast. Ich selber empfinde es nicht so, als dass ich nicht einer Philosophie anhänge, die ich dort niedergeschrieben habe und vertreten wissen will, sondern ich hoffe, dass ich zum eigenen Nachdenken anregen, zur kritischen Auseinandersetzung mit dem, was man tut. Also so ist das Buch auch entstanden. Ich habe mich hinterfragt Ist das gut, was ich da mache? Ist es gut für die Studierenden? Nicht für mich. Ist das nachhaltig für die Studierenden? Das war eigentlich die initiale Frage, die ich ständig mir gefragt. Von der ersten Stunde an, aber auch noch nach zwei Jahren Unterricht, über die ich mich viel ausgetauscht habe mit Kollegen und Kolleginnen und dann irgendwann gemerkt habe Jetzt möchte ich eigentlich mal über den Tellerrand der Universität schauen, über den Tellerrand Wiens, über den Tellerrand Österreichs. Und dann war ich auf einmal international. Und das war sehr bereichernd.
Arno Görgen: War es auch schockierend?
Ingmar Thies: Hm, ja, eine super Frage, Aber nein. Ich habe. Ich weiß nicht, ob man das Glück hat. Ich gehe mal vor. Ich setze voraus, dass alle Menschen nett sind. Ich habe immer sehr, sehr positive Erlebnisse mit allen Interviewpartnerinnen gehabt. Also es war nichts schockierend. Auch inhaltlich nicht. Es war jetzt. Das Verbindende war, glaube ich, dass alle das Beste für die Studierenden rausholen wollen. Das ist egal, ob das ein Japaner gesagt hat oder jemand, der in den USA unterrichtet. Also die Lehrerinnen, mit denen ich gesprochen haben, sind wirklich sehr fokussiert auf den Wissenszuwachs auf der anderen Seite.
Arno Görgen: Also schockierend habe ich auch gar nicht so negativ gemeint, sondern auch in dem Sinne, dass zum Beispiel die Lehrkultur sich wie in einem Kulturschock eben so sehr von der eigenen unterscheiden kann, dass man da ja vielleicht auch über die eigene Identität zum Beispiel als Lehrer, wie Du es ja auch ein bisschen beschrieben hast, anfängt nachzudenken.
Ingmar Thies: Also der größte Unterschied war zur japanischen Kultur, das liegt in der japanischen Kultur und da kann ich schon fast alle Lehrerinnen zitieren, die gesagt haben, dass die jungen Studierenden, also die anfangen, denen muss erst einmal abgewöhnt werden, einer Hierarchie zu entsprechen oder einer Hierarchie entsprechen zu wollen, selber Fragen zu stellen, selber mutig zu werden. Am Ende in Projekten vielleicht auch auf fremde Leute zuzugehen. Das haben alle geäußert. Durch. Durch die Bank. Und ich glaube, das ist ein großer kultureller Unterschied. Also in Japan zum Beispiel unterscheidet man auch selbst im Studium, da gibt es Begriffe, das ist der Sempai und Kohei. Sempai ist der ältere Studierende und Kohai ist der jüngere Studierende. Und darin drückt sich schon eine Hierarchie aus. Und diese Hierarchie ist nicht nur sprachlich, sondern natürlich auch verinnerlicht festgelegt. Und das fand ich. Meinetwegen können wir es auch schockierend nennen. Das fand ich schon sehr erstaunlich, dass da ein Semester, zwei Semester wirklich dran gearbeitet wird oder sich bemüht wird, zu einem sehr, sehr offenen Dialog zu kommen im Unterricht.
Outro: Diese Staffel des Podcasts dreht sich ja jetzt um das Thema der Sinne. Dazu gleich mal zwei Fragen. Und zwar erstens jetzt mal wieder zurück zu dem Thema der Corona Pandemie. Du hattest es schon gesagt Die Interviews in Person zu führen war eine sehr prägende und eine sehr positive Erfahrung für dich jetzt. Wie schwierig ist es denn grundsätzlich auch in anderen Bereichen der Lehre, wenn bestimmte Aspekte plötzlich jetzt nur digital, also indirekt online vermittelt werden können? Und wie wichtig sind dir neben dem, neben dem Zuhören, was du gesagt hast, auch so andere Sinne wie Geruch, Haptik, Tastsinn? Ja.
Ingmar Thies: Ich. Ich glaube, dass das extrem wichtig ist. Ich glaube auch, dass die Sinne sich da immer ganz schlecht trennen lassen. Am Ende, wenn ich auch hier sitze, jetzt nicht rieche, wie deine Bücher im Hintergrund auf dem Bildschirm riechen. Das fehlt mir. Ich glaube, dass die Sinne sich nicht trennen lassen und dass das ein Verlust ist. Das habe ich auch im Remote Unterricht so empfunden. Was ich interessant fand, dass man darüber sprechen kann, dass man das thematisieren kann und dadurch eine ganz andere Sensibilität oder ein anderes Bewusstsein entwickelt über unsere Sinne, die dann eben auf einmal eingeschränkt sind. Also das hat mir als Diskussionspunkt so mit den Studierenden viel Spaß gebracht und das hat auch online geklappt. Also da tauscht man sich am Ende ja nur auditiv sozusagen aus, also über das Gespräch. Ansonsten, wenn wir über Papiere, was auch immer, also Details in Projekten gesprochen haben, ist das abhanden gekommen.
Outro: Ja.
Ingmar Thies: Und da kann ich aber auch auf das Buch verweisen. Ich habe auch Masayo Ave interviewt. Sie ist eine Professorin für Sensory Experience Design und sie unterrichtet als Gastprofessorin in Deutschland, Slowenien, Japan. Und die macht sehr, sehr viel online, macht auch immer noch sehr, sehr viel online und wie Ihr Fachgebiet oder Ihre Spezialisierung Sensory Experience Design ausdrückt. Geht es bei ihr natürlich um alle Sinne. Und sie hat im Interview geäußert Das fand ich sehr interessant, dass sie auch am Anfang, als sie gedacht hat Oh, ich möchte über die Sinne aufs Design zugehen. Als sie angefangen hat, hat sie gesagt Oh, Haptik ist doch ganz besonders und ist ganz besonders wichtig und vielleicht auch manchmal vernachlässigt. Sie hat aber für sich festgestellt, dass alle Sinne zusammengehören, dass man das eigentlich nicht trennen kann. Und wenn sie jetzt remote unterrichtet und das ist natürlich ein Aufwand, kann wahrscheinlich nicht jeder bewerkstelligen, gibt es in den Ländern, wo sie unterrichtet, nicht remote, so wie wir? Jeder sitzt jetzt an seinem Ort, sondern sie unterrichtet eine ganze Klasse in Japan. Vielleicht kommt noch eine Klasse dazu, geschaltet aus Slowenien und sie sitzt in Berlin und unterrichtet von da aus. Dann sorgt sie immer dafür, dass in den Klassen, wo die Studierenden sitzen, Assistenten, Assistentinnen sind, die mit Material aushelfen. Wenn sie alle Pfefferminz riechen sollen, dann ist das auch vorbereitet. Das fand ich sehr interessant. Aber das ist ein Aufwand, den man betreiben muss. Was man nicht machen kann, Man kann dasselbe riechen. Also man riecht immer nur das Gleiche. Auch das ist schon ein Qualitätsverlust manchmal. Aber man kann. Man kann auf Umwegen, glaube ich, auch remote, ich sag mal viele Sinne ansprechen.
Outro: Mhm. Denkst du denn umgekehrt, dass diese eingeschränkte Interaktion auch Vorteile hat? Oder ist das für dich wirklich lediglich eine Einschränkung oder ein Verlust?
Ingmar Thies: Ich habe schon als Verlust empfunden. Also das, was ich ganz am Anfang eben gerade gesagt habe. Es ist interessant, wenn uns ein Sinn fehlt und man das thematisiert. Ja, und darüber kann man dann ja sehr, sehr lange sprechen. Und warum das wichtig ist, was einen stört, was einem fehlt. Und man kann dann auch drüber sprechen und diskutieren, wie man das beheben kann. Aber da muss ich ganz ehrlich sagen, da sind wir in der Pandemie kann ich nur von mir sprechen oder in diesem Remote Unterricht nicht einen großen Schritt weitergekommen. Am Ende waren wir leider alle isoliert. Darf ich auch eine Frage stellen? Wie ist eure Erfahrung damit?
Outro: Ja, ich glaube, so in den allerallermeisten Fällen würde ich das auch als Einschränkung oder als Verlust bezeichnen. Wir hatten während der Corona Pandemie auch so, mussten ja alle irgendwie so total sich was aus den Ärmeln schütteln, wie sie irgendwie Unterrichtsformate plötzlich remote gestalten können. Da habe ich, da war ich gerade in meinem Bachelor in Illustration und da haben wir plötzlich angefangen, irgendwie Aktmalerei remote zu machen. Und das war. Ich denke, es war ein großer Verlust für mein Studium in dem Sinne, dass ich einfach gemerkt habe, so, ich wäre wahrscheinlich in einem normalen Unterrichtsformat, sage ich mal, so einfach weiter gekommen und hätte wahrscheinlich irgendwie mehr gelernt, mehr irgendwie ja Interaktion gehabt. Einfach mit den anderen Studierenden. Man man sieht, was andere machen, man sieht wie andere Leute was machen und man man hat das halt im digitalen Raum überhaupt nicht. Dann ist man nur bei sich und auf sich fokussiert und das sind irgendwie diese ich glaube diese Momente, die mir damals sehr gefehlt haben. Ja, das was ich sagen würde, ist halt der positive Aspekt ist, dass das Gespräch darüber entstanden ist oder das Gespräch darüber sehr viel Momentum gekriegt hat. Wie lassen sich Unterrichtsformate auch alternativ gestalten und wie? Das hat ja dann geht ja dann auch viel immer um Zugänglichkeiten damit und irgendwie, dass da ein stärkeres Augenmerk darauf gelegt wird. Das ist natürlich ein positiver Effekt. Aber vielleicht jetzt ohne Designbezug generell.
Ingmar Thies: Ja, dem stimme ich total zu, weil ich auch das Gefühl habe. Also du hast es gerade gesagt. Ich glaube, dass das ganz wichtig diese Interaktion, die Interaktion mit deinen Mitstudierenden am Ende mit dem Lehrenden oder der Lehrenden auch. Aber diese Interaktion im Klassenraum zwischen den Studierenden, die dadurch verhindert wird und die ich als extrem wichtig finde. Ich glaube auch, dass man das jetzt aber eine These von mir, dass man mehr von seinen Studierenden lernt als von den Lehrenden. Alleine schon deswegen, weil man mehr Zeit miteinander verbringt. Dass das einfach wegfällt und gleichzeitig bisschen, was du gesagt hast. Man sieht nicht, wie es entstanden ist. Könnte man natürlich auch sagen So, jetzt lasst uns doch mal alle zeigen, wie entstand die Zeichnung? Dann ist es aber oft ein Zeitverlust. Also ich glaube, so ganz verlustfrei kommt man aus der Nummer des Remote Unterrichts nicht raus. Mhm.
Arno Görgen: Mhm. Ja, ich bin da ja eher ein Sonderfall, glaube ich. Erstens, weil ich jetzt schon länger keine Lehre mehr gemacht habe und auch nicht während Corona. Und zweitens, weil ich schon seit vielen Jahren bestimmt zehn Jahren Homeoffice mache und relativ stark an diese Situation gewöhnt bin und auch an die digitale Interaktion mit meinen Kolleginnen und Kollegen. Also für mich ist das jetzt gar nicht mal so, also speziell bei Corona gar nicht so ein Problem gewesen. Wobei natürlich dieses monatliche Treffen in Bern dann zum Beispiel natürlich schon fehlt, aber es nicht so diese immense Wichtigkeit hat, wie zum Beispiel in der Lehre. Ich könnte mir zum Beispiel auch vorstellen, dass gerade dieses Projekt, was ich ja schon ein bisschen angesprochen habe. Dieses prozedurale Lernen also allein schon durch Körperbewegungen oder andere Sachen. Dass das über sowas auch verloren geht und das sind Sachen, die mich tatsächlich gar nicht betroffen haben. Also ich forsche digital, ich lerne digital und bin da sozusagen vollkommener Digital Citizen. Gleichzeitig ist es natürlich so und das ist ja auch die große Gefahr, die man sehr lange auch daran arbeiten muss, wenn man viel in Home Home Office arbeitet, dass diese Grenzen zwischen Arbeit und Privatleben vielleicht sehr verwischen können. Also ich habe das schon sehr früh gelernt, dass man vielleicht nicht jeden Tag bis 10:00 nachts oder 12:00 nachts schreiben muss oder arbeiten muss, sondern wirklich auf die Stunden achten muss. Aber ich glaube oder ich habe den Eindruck, da hatten relativ viele auch erstmal Probleme, sich da mental umzustellen.
Ingmar Thies: Entschuldigung bitte.
Outro: Nein, sehr gerne.
Ingmar Thies: Also also das glaube ich auch. Und ich möchte auch nicht so klingen, als wenn ich gegen Remote Communication generell bin. Ich glaube, man kann ganz viel remote erledigen und am Ende auch erleben. Für mich bleibt aber dennoch immer ein bisschen der Beigeschmack und vielleicht ist dann auch Design was anderes als Schreiben sprechen, das, was du gerade beschrieben hast. Arno Wenn der Designprozess eben alle Sinne mit einbezieht, dann ist es definitiv ein Verlust.
Outro: Dann bleiben wir doch noch mal bei diesem Stichwort Sinn. Und zwar das, was auch in deinem Buch ganz prominent ist. Das Hören, das Hören ist ja erstmal ein Prozess der Kognition. Das Zuhören ist ein Prozess von Interpretation, von Zeichen. Findest du, dass man zuhören lernen muss? Oder auch wie kulturell kontextgebunden ist Zuhören eigentlich?
Ingmar Thies: Ja, da komme ich noch mal zu Japan zurück. Also ganz kurz vielleicht erklärt, warum ich überhaupt so viele Leute aus Japan interviewt habe. Ich bin zu meiner Diplomarbeit nach Japan gegangen für ein halbes Jahr. War begeistert von der von dem Land, wollte wieder hin und habe dann das Glück gehabt, ein zweijähriges zweijähriges postgraduierte Stipendium zu bekommen und habe dann noch mal in Tokio gelebt. So, und dadurch haben sich viele Kontakte ergeben. Deswegen referenziere ich jetzt auch häufig auf japanische Dinge. Ich glaube, dass es natürlich kulturell kontextgebunden ist, weil, wie vorher schon erwähnt, Hierarchie einen großen Einfluss darauf hat. Also in Japan. Man kann ja das Zuhören auch von Fragen vielleicht nicht trennen. Zumindest nicht, wenn wir vom Dialog sprechen wollen. Das ist einfach in Japan anders angelegt. Da fragt der vorhin genannte Kohai, der Kleinere, den Sampai, den Älteren Eben nicht oder hört nur die ganze Zeit zu. Von da aus ist das etwas anderes, als wie wir es häufig gut leben. Zumindest in der Lehre, dass es extrem viel Austausch gibt. Du hast vorhin das tolle Wort der Interaktion genannt und das ist ganz viel. Dialog gibt und das prägen wir zum Beispiel in unserer Klasse versuchen wir das wirklich sehr zu pflegen und zu prägen, als dass ganz viele Unterrichtseinheiten erstmal mit Gesprächen und Dialogen und Diskussionen beginnen. Und da muss man zuhören. Also die Eingangsfrage von dir eben gerade muss man zuhören lernen. Ich weiß, ich bin immer schwierig mit dem Wort muss. Also ich glaube, man kann zuhören lernen und das kann man am besten, indem man zuhört.
Ingmar Thies: Das klingt jetzt ein bisschen sehr stark vereinfacht. Ich bin aber dennoch der Meinung, dass das der beste Lerneffekt ist, viel zu sprechen und zuzuhören. Und da gibt es vielleicht kann ich das erwähnen. Wenn ich zuhöre, entsteht ja manchmal auch Stille. Also ist eine Gesprächslücke. Das beschreibe ich auch im Buch. Das ist auch wissenschaftlich erwiesen. Also in unserem westlichen Kulturkreis empfinden wir eigentlich eine Stille innerhalb eines Gespräches von mehr als vier Sekunden als unangenehm. Jetzt habe ich nicht mitgezählt. Ich glaube, es waren fünf Sekunden. Und es stellt sich ab einem bestimmten Zeitpunkt so ein bisschen was Unangenehmes ein. Und das sollte man zum Beispiel, finde ich, auch durchbrechen. Und wenn ich eine Frage gestellt habe und zuhören möchte, ist, aber keine Antwort gibt, dann sollte ich auch mal länger verweilen, weil das beobachte ich auch an mir selbst übrigens, aber weniger jetzt, wo ich es weiß und bewusst einsetze. Das beobachte ich oft. Die Frage wird nicht beantwortet. Ich formuliere die Frage noch mal anders oder frage nach Warum ist es so still oder was auch immer? Und ich glaube, dass man Stille manchmal wirken lassen sollte, weil sie dem anderen, der anderen Person Zeit zum Nachdenken gibt. Und wenn es zum Beispiel um schwerere, also inhaltsschwere Themen gibt, überträgt man auch die Verantwortung auf die Sprechende, bevor sie spricht. Nachdenkende Personen und das ist zum Beispiel etwas, das kann man lernen, indem man sich einfach ein bisschen zurückhält.
Arno Görgen: Ich glaube, auch mit der Stille ist es ein bisschen wie mit der Langeweile. Weil dieser kurzzeitige Leerlauf einfach auch mal verhindert, dass das Gehirn mit Informationen überschwemmt wird und einfach ein bisschen Raum für eigene Gedanken geschaffen wird in dieser Zeit.
Ingmar Thies: Ja, glaube ich auch. Absolut. Absolut. Und für mich ist es auch. Also, wenn du vorhin gesagt hast, schockieren ist gar nicht negativ gemeint gewesen. So ist auch Langeweile. Eigentlich ja so im Sprachgebrauch häufig ein bisschen negativ belegt. Ich glaube das aber nicht. Ich glaube, dass Langeweile sehr gesund ist.
Arno Görgen: Ja, glaube ich auch.
Outro: Jetzt mal noch mal auf dich bezogen. Kannst du denn unabhängig von der Sprache jetzt in einem anderen Kulturraum oder in anderen kulturellen Kontext genauso gut zuhören, wie das beispielsweise bei dir in Wien kannst? Hast du da Beobachtungen dazu?
Ingmar Thies: Ich glaube, man kommt immer ganz schlecht aus seiner eigenen Haut raus. Ich kann von mir nur direkt antworten Ich habe immer schon gerne zugehört. Kann ich gar nicht begründen. Warum ist so? Ich glaube, meine Mutter hat immer viele Geschichten erzählt oder wie der Film vom Abend zuvor geendet hat. Ich habe immer gerne zugehört und natürlich gehört zum Zuhören ja vielleicht auch manchmal eine Frage vorher zu stellen. Aber das ist meine ein bisschen. Ich behaupte jetzt mal, dass mein Naturell und das nehme ich mit, egal wo ich bin. Ich war noch nicht am Nordpol, aber egal, wo ich mich mit Leuten unterhalten würde, glaube ich, dass ich dieses Ich möchte was erfahren, Ich möchte was Neues hören oder vielleicht auch was Altbekanntes. Dass ich das mitnehme, egal in welchem Kulturkreis ich bin. Und ich glaube auch, dass ich jetzt als schon älterer Westeuropäer mich auch nicht unbedingt verstelle. Also ich versuche dann nicht ein Japaner zu werden. Erstens kann ich das nicht, das wird nie klappen und zweitens ist das nicht authentisch. Also ich glaube eher, das, was das Zuhören auszeichnet, ist ja auch das Einstellen auf das Gegenüber. Und wenn ich einer Japanerin gegenübersitze, dann werde ich mich natürlich, glaube ich, natürlicherweise ein bisschen anders verhalten, als wenn ich einer selbstbewussten Norddeutschen gegenübersitze. Von da aus ist das Zuhören eng verbunden für mich mit dem Einstellen und Einlassen auf Die Person, mit der man sich unterhält, der man zuhört.
Arno Görgen: Also ich habe heute noch ein bisschen durch dein Buch geblättert und was ich ganz spannend fand, ist, dass du auch eine Übung nennst, nämlich den Soundwalk. Ich musste da gleich an meinen Kollegen Patrick Mauch denken, der das als Methode in den Game Studies benutzt und zwar durch Spiele wandert und diese Sinneseindrücke, die Geräuscheindrücke aus einer musikwissenschaftlichen Perspektive dann versucht einzuordnen. Und ich wollte dich jetzt erstmal kurz bitten zu erklären, was man unter einem Soundwalk aus deiner Sicht versteht und wie hier der Zusammenhang zum Design oder zum Designstudium dann ist.
Ingmar Thies: Also Soundwalk selbst kann man, glaube ich ein bisschen unterschiedlich auslegen. Worauf ich referenziere im Buch ist, dass man bewusst in der Gruppe sich an einem Ort befindet oder auch Orte wechselt und das im Laufen geht. Ich laufe durch einen Wald. Ich laufe ganz bewusst durch einen U Bahn Schacht. Ich laufe ganz bewusst von der Mensa in den Klassenraum und darauf zu achten, was man hört und sich darüber im Nachhinein auszutauschen. Also das ist jetzt vereinfacht das, was ich darunter verstehe und das schärft die Sinne, weil man auf einmal sich auf das Hören mehr konzentriert, was in unserem täglichen Leben eben eines von vielen Sinnen ist. Aber man konzentriert sich auf das Hören und man nimmt Dinge wahr, die man normalerweise nicht wahrnehmen würde. Ich glaube, das Ganze dient nicht Ich glaube, sondern das Ganze dient einer Sensibilisierung und ich habe damit sehr gute Erfahrungen gemacht.
Arno Görgen: Geht das auch mit anderen Sinnen?
Ingmar Thies: Das geht auch. Ja, wenn wir uns die Augen verbinden. Also ich glaube, dass Super Arno ganz genau richtig. Ich glaube, dass ich diese Konzentration auf einen Sinn sehr bewusst einsetzen kann, um uns aufmerksam zu machen, dass unser Weltbild von allen Sinnen bestimmt wird, aber man andere Perspektiven bekommt, wenn man mal einen oder auch alle anderen außer den eigenen Sinnen weglässt.
Arno Görgen: Ist ja auch insbesondere deswegen wichtig, weil ich sage mal, das Design ja schon sehr visuell Schwerpunkte setzt.
Ingmar Thies: Ja klar, es ist auch meine Überzeugung. Wobei jetzt im Unterricht, also jetzt aktuell im Semester beschäftigen wir uns mit dem Thema Bildung und die Studierenden sind frei in der Themenwahl. Also es gibt den Überbegriff der Bildung und die Studierenden wählen frei ein Nischenthema oder Thema im Bildungsbereich, im Bildungssektor Ja und da sind wir gerade am Diskutieren, ob wir nicht ganz bewusst klassische Kommunikationsmedien ausklammern sollten. Also genau um das zu verhindern, was du gerade gesagt hast. Wir sind immer sehr schnell visuell, vielleicht gerade noch mal auch auditiv, aber ob man nicht Medien wählen sollte oder notfalls auch ein neues Medium kreieren sollte, was genau anders funktioniert.
Arno Görgen: Ja, deswegen finde ich auch so was wie ich weiß nicht ob es ob es das noch gibt an der HKB, dass dieses Material Archiv sowas finde ich ja auch unheimlich wichtig, einfach auch zum Beispiel um Haptik und solche Sachen einfach zu ja zu erfahren. Wortwörtlich.
Ingmar Thies: Ja, also das finde ich auch wichtig oder nicht so sehr kategorisch, also nicht so sehr kategorisiert wie in Amerika. Hier merken wir zum Beispiel, dass die Studierenden unheimlich gerne in die Werkstätten gehen. Also da, wo man mit der Hand, mit den Händen arbeitet. Und das ist auch etwas. Würde ich jetzt behaupten. Vielleicht lehne ich mich da ein bisschen zu weit aus dem Fenster. Ich würde auch sagen, dass das seit Corona zugenommen hat. Dieses Interesse an Haptischen und sei das Siebdruck, Siebdruck. Du gehst in die Plastikwerkstatt, kannst da auf einmal was modellieren etc. Also da habe ich den Eindruck, dass das seit der Corona Pandemie sogar noch wieder stärker in den Fokus gerückt ist. Es ist übrigens interessanterweise auch in den Fokus gerückt. Nicht unser Thema heute, weil überall KI ist.
Arno Görgen: Genau das wollte ich gerade ansprechen. Ich könnte mir wirklich vorstellen, dass das auch ein bisschen damit zusammenhängt, dass die diese Überschwemmung mit wie nennt sich das Eisloch oder wie nennt sich das?
Ingmar Thies: Ja.
Arno Görgen: Dass das auch dazu führt, dass man jetzt kommt dieses in den Game Studies sehr verpönte Wort der Authentizität. Aber dass man diese Authentizität des Erlebens sozusagen haben möchte, und die ist eben bei diesem ich habe diesen schönen Begriff der Plagiatstechnologien irgendwo mal gelesen, ist ja da. Im Prinzip ja aufgehoben. Du hast ja auch eine ganze Reihe von Interviews geführt mit völlig unterschiedlichen Denkweisen zu Designlehre, auch im Bereich der Game Studies. Hat mich sehr gefreut. Ja, gab es hier auch Perspektiven, die du so jetzt gar nicht auf dem Schirm hattest? Also dass sie weit weg von dir sind, hat es ja schon mal erwähnt, aber die müssen ja nicht mal weit weg sein, um sozusagen out of the box für dich zu sein.
Ingmar Thies: Also vielleicht ganz kurz erklärt Ich habe 24 Personen interviewt und ich habe natürlich mit Kommunikationsdesigner innen und Grafikdesignerin angefangen und habe dann aber schnell gemerkt ja, unterrichten geht natürlich stark über mein eigenes Fachgebiet hinaus und habe dann auch etwas angesprochen, eine Game Designerin interviewt. Ich habe eine psychologische, andersrum kognitive Psychologin interviewt. Ich habe einen Industrial Designer interviewt, also und das war wahnsinnig interessant, eben auch aus anderen Fachgebieten oft ähnliche Dinge zu hören. Also wir sind alle nicht so verschieden und das, was vielleicht kann ich ein, vielleicht auch zwei Beispiele nehmen. Dann nehme ich gleich die Game Designerin Johanna Pirker, die damals im Interview in Graz unterrichtet hat, an der Technischen Universität und die mittlerweile einen eigenen Lehrstuhl an der TUM in München hat. Und das passt auch zu unserem Thema Remote, Weil als sie Remote unterrichten musste, hat sie die Plattform Twitch genutzt, die mir vorher gar nicht so geläufig war. Hatte ich schon mal drüber gehört. Für alle, die es nicht kennen Bei Twitch gucken Spieler Spielern beim Spielen zu und tauschen sich parallel in direkten Chats thematisch vielleicht auch manchmal nicht thematisch aus. Und sie hat sich sehr gefreut, dass aus ihren ursprünglich 60 Studierenden auf einmal 140 wurden.
Ingmar Thies: Sie hat es auch bewusst geöffnet und auf einmal hatte sie 140 Studierende online und hat Twitch genutzt. Und die haben. Also sie hat sowohl interaktive Formate, aber sie erzählte auch viel und während sie erzählte, wurde nur gechattet. Und ich habe damals spontan gesagt, das würde mich ja total nervös machen. Ich erzähle etwas. Ich denke, die sollten mir mal alle zuhören. Und die haben aber die ganze Zeit sich Nachrichten hin und her geschickt, die sie natürlich inhaltlich nicht verfolgt hat. Sie hat nur gesehen, wie Twitch eigentlich angelegt ist. Die sind im ständigen Austausch und sie hat das als extrem positiv beschrieben. Sie hat gesagt so viel, weil die inhaltlich sich eben schon fachspezifisch gegenseitig informiert haben. So viel hätte sie den Studierenden gar nicht vermitteln können. In den eineinhalb Stunden also. Sie hat das, was man spontan erstmal als negativ empfindet. Die Leute sind unaufmerksam, die waren nicht unaufmerksam, sondern die sind dann immer ihren spezifischen Wissensdurst nachgegangen und haben immer jemanden gefunden, der einem geholfen hat. Also das war für mich ja der, der eher das Zuhören bevorzugt hätte. Eine neue Perspektive, die ich extrem gut finde.
Outro: Ja, und einfach so ein Phänomen, was ja im analogen Raum, sage ich jetzt mal, gar nicht möglich gewesen wäre.
Ingmar Thies: Genau das ist vielleicht genau das ist das, was du vorhin gefragt hattest Was ist positiv am Remoteunterricht? Vielleicht? Wobei ich es ein bisschen vergleichen würde, wenn man jetzt so Projektarbeit macht. Man sitzt zusammen in der Klasse und diese Interaktion, die du auch vorhin genannt hattest, die passiert, weil alle arbeiten. Dann entstehen ja auch diese kurzen Wege und du hast dann das gelernt, oder Wo hast du das her? Wie hast du das gemacht? Das ist vielleicht vergleichbar, aber ich glaube, das ist eine tolle Erweiterung, mit vielen Leuten gleichzeitig Wissen zu vertiefen oder Wissen zu erlangen. Ich kann auch noch eine zweite Person zitieren. Also zur Frage. Was hat mich überrascht oder was? Was hätte ich, würde ich so nicht machen? Und das war zum Beispiel LeeAnn Renninger. Das ist die kognitive Psychologin, die auch viel in der Erwachsenenbildung macht. Viel. Also sie kommt ursprünglich aus der Verhaltensforschung und sie habe ich gefragt, ob denn Lernen aus erster Hand oder wenn ich etwas sehe oder zuhöre, was zu einem besseren Wissenszuwachs, größerem Wissenszuwachs führt. Den hat eigentlich das ganze Interview so geführt. Die hat auch immer nicht auf meine Fragen geantwortet, sondern hat Gegenfragen gestellt. Hat mich auch total nervös gemacht als Interviewer. Aber sie hat und das ist mir sehr im Kopf hängengeblieben. Deswegen will ich das jetzt gerne teilen. Sie hat gesagt Learning by doing führt zu einer schnelleren Kompetenzerwerb. Stattdessen werde ich dich aber bitten oder auch deinen Leser oder eine Leserin bitten, sich an drei Dinge zu erinnern, die man gelernt hat im Leben und sich dann kurz aufzuschreiben, wie man die gelernt hat, also mit welchen Sinnen etc. Und sie war sich sicher oder ist sich sicher, dass viel über das Hören, Machen und insbesondere über das Wiederholen gelernt wird. So, anstatt mir zu sagen Learning by doing ist besser. Hat sie eigentlich gleich dazu geführt, selbst zu lernen, sprich sich selbst damit auseinanderzusetzen und dann fließen ein paar mehr Gammawellen. Beziehungsweise sie hat gesagt, das führt zu mehr Aha. Erlebnissen und aha, Erlebnisse bleiben in unserem Körper.
Arno Görgen: Ja, finde ich nachvollziehbar. Ich habe auch selber irgendwann mal gelernt, dass es ja auch unterschiedliche Lerntypen gibt und dass dieses Lernen einfach auch eine unheimlich individuelle Sache ist. Also als jemand wie ich zum Beispiel würde zum Lernen den Frontalunterricht bevorzugen. Und dann gibt es andere, die machen lieber was haptisch oder hören Dinge, hören Podcasts oder so und lernen darüber was. So wie unsere Zuhörerinnen gerade also.
Ingmar Thies: Also da würde ich gerne noch was zu sagen. Ah, das hattest du ganz am Anfang gefragt. Lehrphilosophie. Und das ist nämlich genauso. Das Unterrichten ist individuell und dann das, was du gerade sagtest. Das Lernen ist individuell. Und ich bin der Überzeugung, dass wir zumindest hier im europäischen Kreis den großen Luxus kleiner Klassen haben. Und dieser Luxus führt im Idealfall auch dazu, dass man wirklich auf unterschiedliche Lerntypen, auf unterschiedliche Charaktere und Naturells eingeht im Unterricht. Und deswegen gibt es in dem Sinne, glaube ich, keine Lehrphilosophie. Die einzige Philosophie, die ich aussuchen würde, ist, sich ständig zu hinterfragen.
Arno Görgen: Das mache ich ja, ich ständig. Ich bin jetzt ein bisschen heiser, aber das macht ja hoffentlich nichts. Und ich würde aber fast sagen, wir sind jetzt am Punkt gekommen, ja, wo wir sehr, sehr viel gelernt haben und vor allem ich und Jost dir sehr, sehr gerne zugehört haben. Ja, würde ich an der Stelle schon mal sagen. Erstmal vielen lieben Dank, lieber Ingwer kann das Buch wirklich empfehlen. Das ist wunderbar. Wunderbar geschrieben und durch diese Interviews und diese ethnografischen Einschübe ist es sehr locker und kann man sich gut zu Gemüte führen in einer ruhigen Minute.
Ingmar Thies: Danke schön.
Arno Görgen: Ja, vielen Dank, dass du dir die Zeit genommen hast für uns und ich wünsche dir noch viele Soundwalks und auch walks in allen möglichen Kulturen, die du noch Erforschen willst und kannst und freue mich dann schon auf das nächste Buch.
Ingmar Thies: Schauen wir mal, sagen die Österreicher. Ja, ich danke euch sehr. Vielen, vielen Dank.
Outro: Ja, dann hoffen wir und hoffen wir, dass euch auch diese Folge Design Macht Gesellschaft gefallen hat. Wir werden uns jetzt dann erstmal in die in den hoffentlich etwas beruhigenden Weihnachtsurlaub verkriechen und dann hört die im nächsten Jahr von uns. Macht's gut.
Arno Görgen: Macht's gut. Tschüss. Tschüss.
Outro: Outro
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